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Bedürfnisorientierte Erziehung

 

Bedürfnisse sind universell (alle Menschen und Kulturen haben Bedürfnisse) und Bedürfnisse an sich schaffen Verbindung, weil alle Menschen die gleichen Bedürfnisse haben, z.B. das Bedürfnis nach Sicherheit, nach Selbstbestimmung, nach Zugehörigkeit, nach Entwicklung oder Selbstausdruck.

Bedürfnisse sind also wichtige Werte und Leitlinien für das Leben, an denen sich Menschen auch orientieren können. Und wenn wir unsere Kinder ernst nehmen möchten, kommen wir nicht daran vorbei, ihre Bedürfnisse zu achten und wertorientiert zu erziehen. Das ist sicherlich eine sehr sinnhafte Entwicklung.

 

Das Entscheidende ist aber:

Wie verstehen wir Bedürfnisse? Aus welcher Haltung und Grundlage heraus gehen wir an Bedürfnisse heran? Und welche Strategien wählen wir, um Bedürfnisse zu erfüllen?

 

Es gibt drei ethische Maximen, die Bedürfnissen zu Grunde liegen:

  1. Bedürfnisse sollten nicht auf Kosten oder zu Lasten anderer erfüllt werden (kein anderer soll darunter leiden, dass ich mein Bedürfnis erfülle)
  2. Bedürfnisse sollten selbstbestimmt erfüllt werden, aus der eigenen Verantwortung und Freiheit.
  3. Der Mensch sollte mehrere Wahlmöglichkeiten an Strategien haben, um sich ein Bedürfnis zu erfüllen.

Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sprechen wir nicht mehr von Bedürfnissen, sondern von Bedürftigkeiten.

 

Wenn ich also Bedürfnisse habe, bleibe ich handlungsfähig, ich fühle mich nicht ohnmächtig. Ich bin dann diejenige, die aus ihrer eigenen Verantwortung heraus versucht, Strategien zu entwickeln, die mir zur Erfüllung dieses Bedürfnisses verhelfen.

 

Wenn ich aber bedürftig bin, fühle ich eine Art Mangel und Hilflosigkeit, aus dem heraus ich mich gezwungen fühle, mein Umfeld zu manipulieren, um mein Bedürfnis erfüllt zu bekommen.

 

In der Erziehung gibt es leider sehr sehr viele Manipulationen, sowohl von Eltern also auch von Kindern. "Erst wird gelernt, dann darfst Du dafür zocken." "Wenn Du jetzt nicht Dein Zimmer aufräumst, darfst Du morgen nicht zu Deinem Freund."

Nicht immer sind die Manipulationen derart offensichtlich, manchmal sind sie sehr subtil. "Bist Du sicher, dass Du bei diesem Regen noch rausgehen möchtest?"

 

Auch Kinder nutzen Manipulationen, um ihr Bedürfnis erfüllt zu bekommen. Permanentes Quengeln, Drama, Aggression... bis sie das bekommen, was sie wollen: halbe Stunde mehr Medienzeit (zum Beispiel).

 

Doch wer im Drama hängt, wer süchtig ist danach, dass sein Bedürfnis jetzt und sofort unter Zwang erfüllt wird, der ist nicht mehr der selbstbestimmte Handlungsfähige. Und die Bedürfniserfüllung ist dann auch nicht mehr zum höchsten Wohle aller, sondern geht zu Lasten anderer.

 

Deshalb dürfen wir uns bewusst machen, dass es gut wäre, diese Art der Bedürfniserfüllung aus unseren Beziehungen zu verbannen. Zumal das wahre Bedürfnis der Kinder durch Bedürftigkeiten verschleiert wird. 

Bedürftigkeiten werden überall von der Konsumgesellschaft "produziert" und hervorgerufen, haben aber sehr wenig mit wahren Bedürfnissen zu tun. Ein bestimmtes Nintendo haben zu wollen ist eine Bedürftigkeit und kein Bedürfnis. 

Bedürfnisse entspringen dem wahren menschlichen Sein. Sie helfen uns, den Lebensweg und unser Potential zu entwickeln. Bedürftigkeiten halten uns stattdessen in der Abhängigkeit, sie halten uns klein.

 

Was wollen wir als Eltern? Was ist das langfristige Ziel unserer Erziehung? Das dürfen wir uns immer wieder fragen, wenn wir mit Bedürftigkeiten der Kinder konfrontiert sind.

 

Wollen wir ihre wahren Bedürfnisse zur Entfaltung ihres Potentials fördern, oder wollen wir den kurzfristigen Bedürftigkeiten/Wünschen nachgeben, damit wir unsere Ruhe haben? 


Die Sache hat leider einen Haken: wir spüren dabei instinktiv, dass wir manipuliert wurden. Ein gewisser Ärger über uns selbst ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass wir da gerade einer Bedürftigkeit nachgegeben haben, und nicht einem wahren Bedürfnis.

 

Hinter der Bedürftigkeit das wahre Bedürfnis zu erkennen, ist dann Deine Aufgabe. Klar hinter diesem Bedürfnis zu stehen, eine andere Herausforderung.

 

Vielleicht hilft es Dir, das langfristige Ziel dabei zu sehen: Du möchtest ja Menschen grossziehen, die später einmal in der Lage sind, selbstbestimmt zu handeln und nicht in Abhängigkeiten oder Süchte verstrickt sind. Das erfordert auch, dass es auf dem Weg dorthin ein paar Unannehmlichkeiten gibt. Dein Kind darf nämlich in der Eltern-Kind-Beziehung lernen, dass es manchmal Geduld braucht, bis es die richtige Strategie gefunden hat, um sich ein Bedürfnis zu erfüllen. Das entwickelt die Frustrationstoleranz und Resilienz des Kindes. Für Eltern unangenehm, denn in dem Moment bekommen sie den Frust und die Ablehnung des Kindes zu spüren.

 

Du kannst nur bedürfnisorientiert erziehen, wenn Du diesen Frust des Kindes aushalten kannst, wenn Du die Ablehnung, den Widerstand halten kannst, ohne das persönlich zu nehmen. 


Fühlst Du Dich dabei aber persönlich provoziert und getriggert, versinkst selbst im Drama der Ablehnung und hast das Gefühl, Du musst sofort etwas tun, damit Dein Kind Dich wieder mag? Dann ist das ein klassisches Bindungstrauma. Du hängst in diesem Moment selbst im Mangel und der Bedürfigkeit.

 

Eltern mit einem eigenen Bindungstrauma können die Ablehnung ihres Kindes nicht ertragen, weshalb sie alles tun, um es dem Kind recht zu machen, um endlich geliebt zu werden. 


Die Liebe hält aber nur so lange, bis die nächste Bedürftigkeit des Kindes aufpoppt. Und so erzieht man die Kinder zu kleinen Tyrannen, die nur ihre eigenen Wünsche im Kopf haben und andere Menschen ausnutzen für ihr eigenes Wohlergehen. Die Eltern und das Umfeld sind die Leidtragenden und oftmals suchen diese Familien Unterstützung, weil das Verhalten des Kindes nicht mehr tragbar ist. Nicht aber das Kind ist schuld oder verantwortlich für sein Verhalten, sondern die Eltern dürfen das zum Anlass nehmen, die Verantwortung für die Klärung ihrer eigenen Themen (Selbstwert, Selbstliebe, Anerkennung) zu übernehmen.

 

Fassen wir noch einmal zusammen:


Bedürftigkeiten entspringen dem Ego und dem Mangel. Ich habe etwas nicht, also will ich es. Ich sehe mich selbst als Opfer. Ich bin überfordert mit der Erfüllung dieses Bedürfnisses. Ich habe nicht gelernt, es mir selbst zu erfüllen.
Bedürftigkeiten verlangen vom anderen, dass er mir jetzt meinen Mangel stillt. Sie kreieren Abhängigkeiten, Hilflosigkeit, Machtspiele und Manipulationen.

Bedürftigkeiten bzw. die Strategien ihrer Erfüllung sind niemals zum höchsten Wohle aller, sondern gehen immer auf Kosten anderer. Die Befriedigung von Bedürftigkeiten erfolgt über Ersatzbefriedigungen, die niemals die wahre Fülle bringen. Schon bald erlebt der Mensch den nächsten Mangel.
Das ständige Erfüllen von Bedürftigkeiten (z.B. als Eltern) erzeugt Menschen, die egoistisch sind, sich als getrennt erleben, nicht selbstverantwortlich denken und handeln können und langfristig den Planeten zerstören. Sie gehen als NEEDIES durch die Welt, die andere ausnutzen, um ihren eigenen Mangel zu stillen.



Es ist nie zu spät, diesen Negativ-Kreislauf zu erkennen und etwas anders zu machen. Das ganze fängt - in meinen Sitzungen - bei den Eltern an.

 

In der Familienbegleitung kläre ich mit den Eltern ihr eigenes Trauma, ihren Schmerz abgelehnt worden zu sein, von den eigenen Eltern. Wenn das in Annahme und Präsenz gefühlt und geheilt wird, können die Eltern im Hier und Jetzt beginnen, anders mit den Bedürfnissen des Kindes umzugehen. Schon innerhalb einiger Wochen können wir oft eine Kehrtwende erreichen. Die Beziehungen innerhalb der Familie bekommen eine andere Qualität und die Eltern fühlen eine neue innere Stärke und Klarheit, die sich auf das Familienfeld auswirkt.

 

Melde Dich gerne für ein unverbindliches Impulsgespräch, wenn es Dir ähnlich geht und Du eine ganzheitliche Begleitung suchst.

 

Dieses Thema kannst Du auch in meinem Podcast anhören:


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